Besser in Schulen und Kitas investieren?
In Teilen der Bevölkerung, des politischen Raumes sowie der Medien wird die Berechtigung der umfangreichen Investitionen in Schierke nach der Eingemeindung des Ortes in die Stadt Wernigerode hinterfragt. Diese Auffassungen werden sowohl unter dem Aspekt der Nähe des Nationalparks und der damit empfundenen Naturbelassenheit des Ortes, der Unvertretbarkeit eines Eingriffes in die Schierke umgebenden Naturlandschaft aus ökologischen Gesichtspunkten, der unsicheren Auslastungsgarantie von touristischen Großprojekten sowie weiteren tangierenden kritischen Fragestellungen vorgenommen.
Daneben steht immer auch die Frage, weshalb bei durchaus begrenzten finanziellen Mitteln der Stadt Wernigerode diese nicht besser in sozialen Projekten der Stadt wie auch in Schulen und Kindergärten investiert werden. Diese Fragen sind berechtigt und die Diskussion darüber notwendig. Denn die Stadt Wernigerode besteht neben der Kernstadt aus mehreren Ortsteilen, die allesamt berechtigterweise Investitionen in ihre Infrastruktur einfordern. Die zur Verfügung stehenden Mittel müssen gerecht und sozial ausgewogen über alle Aufgaben und Projekte der Stadt verteilt werden!
Weshalb hat der Stadtrat beschlossen, den Ort trotz des unübersehbaren Investitionsrückstaus in die Stadt Wernigerode einzugemeinden? Warum nun in Schierke investieren? Wäre es nicht besser gewesen, den Ort mit der sowieso schwindenden Einwohnerzahl sich selbst zu überlassen und nur die nötigsten Maßnahmen zu ergreifen?
Die Antwort auf die letzte Frage lautet eindeutig: NEIN!
Mit der Eingemeindung in die Stadt Wernigerode haben die Stadträte die Verantwortung übernommen, den Ortsteil auf dasselbe infrastrukturelle Niveau wie die Kernstadt zu heben. Dazu gehören neben Straßen- und Brückenbau auch die Sanierung des Kindergartens und die Errichtung eines Gebäudes für Feuerwehr, Bauhof und Bergwacht.
Berechtigterweise wird spätestens an dieser Stelle die Frage gestellt, weshalb denn neben den zuvor genannten Baumaßnahmen weitere Investitionen u.a. in die Neugestaltung des Kurparks mit Errichtung des Konzertpavillons sowie der Neubau des Parkhauses am Winterbergtor und auch die Feuerstein Arena in den Ortsteil fließen.
Die Antwort ist ganz einfach:
Schierke besitzt auch in der heutigen Zeit hinreichend eigenes Potential, um seine eigene strukturelle und wirtschaftliche Entwicklung systematisch voranzutreiben. Als Mittelgebirgsgemeinde mit dem umgebenden Nationalpark und dem höchsten Berg Norddeutschlands, dem Brocken, besitzt Schierke Aufgabe und Verantwortung, diese Entwicklung unter Nachhaltigkeitsaspekten zu steuern.
Vereinfacht formuliert: „Hilf dem Ortsteil Schierke, sich selbst zu helfen !“
Investitionen der Stadt Wernigerode in Infrastruktur und touristische Einrichtungen des Ortsteils Schierke helfen diesem, nachhaltig eigene Wertschöpfung zu betreiben und künftige Investitionen quasi selbst zu finanzieren. Die Volksstimme berichtete am 27. April 2017 in Ihrer Ausgabe folgendes (Antworten vom Interviewpartner Andreas Meling):
„Volksstimme: Wie bewerten Sie die bisherige Projekt-Umsetzung?
Andreas Meling: Ganz ehrlich: Schierke ist bisher volkswirtschaftlich gesehen eine Erfolgsgeschichte. Schade, dass das vielfach so kaputt geredet wird. In der Vergangenheit mussten wir viel Kritik einstecken – vor allem von der Bevölkerung und der lokalen Politik. Damit umzugehen, mussten wir lernen. Denn auch das gehört zu unserer Aufgabe. Und am Ende gab es auch vielfach breite Unterstützung. Trotzdem fragt man sich: Liegen wir falsch, oder kommunizieren wir nicht richtig? Wir haben in acht Jahren viel geschafft. Die großen Projekte wie Sandbrinkstraße und Parkhaus sind durch. In diesem Jahr wird die Schierker Feuerstein-Arena fertig. Unzählige kleinere Projekte konnten umgesetzt werden. Das ist ein total erstaunliches Ergebnis.
Woran machen Sie den Erfolg fest?
Nehmen wir die blanken Zahlen: 31,5 Millionen Euro wurden bisher investiert. Man muss sich das mal vorstellen, wir haben sozusagen zwei Landesgartenschauen in Schierke verbaut. Es ist schon sensationell, wie unsere doch kleine Stadtverwaltung die Projektentwicklung vorangetrieben hat. Geschätzt 80 Prozent des Geldes konnte in der Region an Unternehmen vergeben werden. Eine bessere Wirtschaftsförderung gibt es kaum.
Zurück zu den Zahlen: Wie viel Fördergeld ist in den letzten Jahren geflossen?
27,5 Millionen Euro stammen aus Fördertöpfen des Landes. Das unterstreicht, welche Bedeutung die Ortsentwicklung für das Land hat. Der städtische Eigenanteil liegt bisher bei unter fünf Millionen Euro. Das heißt, über die letzten acht Jahre gerechnet haben wir als Stadt pro Jahr durchschnittlich etwa 500.000 Euro beigesteuert.
Von vielen Wernigerödern hört man immer wieder die Kritik, Schierke kostet nur, für die Stadt bleibt immer weniger Geld. Stimmt das?
Nein. In Schierke werden etwa 367.000 Euro Kurtaxe und 210.000 Euro Gewerbesteuer pro Jahr eingenommen. Damit finanzieren die Schierker den Investitionanteil der Stadt im Grunde genommen selbst. Parkgebühren und Einkommenssteueranteile sind da noch nicht einmal eingerechnet. Richtig ist aber auch, dass das Solidarprinzip greift, wenn es um die langfristige Betreibung der städtischen Infrastrukturen geht. Und was immer vergessen wird ist, dass die Fördermittel für keine anderen Projekte zur Verfügung gestanden hätten. Wir hatten also nie die Wahl zwischen Projekten in Schierke und Wernigerode.
Also eine unfaire Kritik?
Ja, denn im Kontext des Gesamthaushaltes gesehen verdienen die Schierker das Geld mit ihren Gästen, das wir als Stadt als Eigenanteil brauchen, um die Investitionen für die Entwicklung des Ortes zu stemmen. Und wir ernten bereits die ersten Früchte: Private Investoren ziehen nach – das neue Ferienresort auf dem Heine-Gelände, die Bergwaldlodges, die Erweiterung der Ferienanlage Zum Wildbach und viele Kleinprojekte. Zusammen sind das etwa 20 Millionen, die seit 2009 privat investiert worden.
Und was bringt Schierke den Wernigerödern?
Schierke ist ein attraktiver Ortsteil, ein Aushängeschild für den Tourismus. Das kleine Schierke hat etwa genauso viele Übernachtungen wie die Weltkulturerbestadt Quedlinburg, ist touristisch gesehen einer der wichtigsten Bausteine für die Stadt Wernigerode. Kurtaxe und Gewerbesteuer fließen in den städtischen Haushalt. Interessant auch, nach einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ergibt sich für Schierke eine touristische Wertschöpfung von 50 Millionen Euro jährlich. Deshalb empfehle ich, Schierke nicht als Feind, sondern als Freund zu sehen. Schließlich profitieren wir in Wernigerode und im Harz von einer solchen Entwicklung.
Und wohin geht die Reise? Behält Schierke die Finanzkraft, damit Wernigerode dort weitere Projekte umsetzen kann?
Die touristischen Kennzahlen sind positiv, sodass ich davon ausgehe, dass auch in den nächsten Jahren signifikante Einnahmen durch Schierke erwirtschaftet werden können. Wir stecken unsere ganze Kraft in das Ganzjahres-Erlebnisgebiet am Winterberg. Die Realisierung wäre ein wichtiger Meilenstein, mit dem wir die Verweildauer der Gäste und die Wertschöpfung weiter steigern könnten. Aber das Projekt ist schwierig – vor allem politisch gesehen.
Steht nur der Winterberg im Fokus?
Als Stadt wollen wir auch andere Projekte angehen: Wir müssen das Kita-Problem lösen, müssen überdenken, wie wir das Rathaus in Zukunft nutzen. Die Kurgastinformation ist nicht auf dem Stand, auf dem sie sein sollte. Für die Gestaltung der Ortsmitte sind Ideen gefragt. Und Schierke braucht eine Qualitätsoffensive, bei der in erster Linie die Schierker mitziehen müssen. Die Konkurrenz im Ort erwächst mit modernem Marketing und neuen Angeboten. Das kann Gäste wegsaugen, wird aber auch neue Leute und neue Einnahmen bringen. Denn die Urlauber wollen einkaufen und essen gehen. Und die Investoren der neuen Ferienanlage werden hier vor Ort Kurtaxe und Gewerbesteuer abführen. Deshalb, zur vorher gestellten Frage noch einmal: Ja, unsere Wirtschaftskraft wird reichen.“